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12. Villenneubau #1 in Aschau

Neubau

von 03/2000 bis 09/2001

Ein früherer Käufer einer meiner Wohnungen beschloß, sich ein Haus zu bauen. Er hatte bereits ein Grundstück in Aschau im Chiemgau in Aussicht: Mitten aus einer Wiese ragt ein baumbestandener Hügel heraus mit den ungefähren Ausmaßen von 350 Metern in der Länge und ca. 100 Metern an der breitesten Stelle, die Höhe der Erhebung liegt bei ca. 15 Metern. Das Grundstück war zu groß für ihn und seine Familie, so beschloß er, es real zu teilen. Er bat mich zunächst, einen Käufer zu finden, dann einen Entwurf zu zeichnen.

Manchmal bringt das Leben Überraschungen mit sich, wie zum Beispiel auch hier, denn nach 3 Wochen hatte ich bereits einen ernsthaften Kaufinteressenten. Auch er stellte mir in Aussicht, mich nach dem Kaufabschluß mit einem Entwurf seines Hauses zu beauftragen. Schon am Notartermin zeigte ich seiner Frau und ihm die ersten Entwurfspläne: Eine großzügige Villa als Doppelhaus, welches er gemeinsam mit der Familie seines ältesten Sohnes beabsichtigte zu bewohnen. Es soll allen Ansprüchen gerecht werden: Im Keller ein gemeinsames Schwimmbad, mittig im Grundriß liegend, ansonsten alle Folgegeschosse symmetrisch geteilt durch eine mittig verlaufende Kommunwand mit erhöhtem Schallschutz. Die Krönung des Ganzen ist das Mansarddach, deutlich überstehend, und mit einem auffallend herrschaftlichem Erscheinungsanspruch. Seitlich angegliedert die Doppelgarage, mit aufgesetztem Pavillion und Satteldach. Die Fassadengestaltung folgt der im Chiemgau oft zu sehenden traditionellen farblich abgesetzten Lisehnengestaltung, einer Sprossenfenster umlaufenden Konturierung zur Hervorhebung derselben. Die sonst übliche Ablesbarkeit der getrennten Eigentumsverhältnisse bei zwei aneinander wohnenden Eigentümern, ist durch den betont vorgerückten Mittelteil des zentralen, einheitlichen Eingangsbereichs kaschiert und setzt sein Zeichen der familiäre Gemeinsamkeit.
Die sich in Vorgesprächen als begeisterte Fengh-Shui-Anhängerin zeigende Bauherrin schaute sehr interessiert zu und zeigte auf das Liniengewirr in der Grundrißzeichnung des Schwimmbades. Ich erklärte Ihr die Symbolik des Entwurfs: „Das doppelte ineinander-greifende Pentagramm ist Grundmodul für die Innengestaltung der gesamten Hausanlage.“ Sie sah Ihren Mann an und flüsterte: „Das ist unser Architekt.“

Es folgten zahlreiche Einzelsitzungen beider Familien. Allzu verständlich sind die unterschiedlichen Gestaltungsvorstellungen beim Bau eines Generationenhauses. Der Sohn hat mit seinen Kinderschar völlig abweichende Ansprüche an die Raumaufteilung als jene seiner Eltern. Was sich in der Außengestaltung als streng einheitlich präsentierte, ist innen ganz das Gegenteil. Es zeigte sich wieder einmal, dass es die wichtigste Aufgabe in der Architektur ist, die Gestaltung des neuen Zuhauses exakt auf die Lebensgewohnheiten seiner Bewohner abzustimmen. Nur wenn es gelingt, Räume zu schaffen, die Ruhe durch Großzügigkeit aus-strahlen, Geborgenheit vermitteln, Lust auf das Leben machen, Gemütlichkeit zulassen und zugleich die wunderschöne Umgebung in die Räume holt, dann entsteht Zufriedenheit, Wohlbefinden und Glücksgefühl.
Die Sehnsucht der Menschen nach einem Ruhepol und Rückzugsort, der einen Ausgleich zu den Herausforderungen des täglichen Lebens schafft, ist selten so groß gewesen, wie in der heutigen Zeit. Ein ideales Zuhause muss daher vieles leisten: Es muss die physiologischen Bedürfnisse des Menschen nach Schutz, Wärme, Licht, Ruhe, Erholung und Schlaf berücksichtigen. Gleichzeitig dürfen auch die psychologischen Bedürfnisse nach Sicherheit, Geborgenheit, nach Kommunikation und Privatheit nicht zu kurz kommen. Das hier angestrebte ideale Zuhause schafft nun tatsächlich beiden Familien eine Balance zwischen all diesen Anforderungen. Voraussetzung dazu waren unsere intensiven Planungsbesprechungen. Gerade noch als ideal empfundene Entwürfe wurden verworfen, um mit viel Geduld zur Kreativität passenderes zu schaffen. Alle Beteiligten einte das Ziel, Wohnambiente zu schaffen, dass den Bewohnern das Leben angenehmer macht, Ihre Individualität unterstreicht und jedem einzelnen Raum zur persönlichen Entfaltung bietet.

Ein wesentliches Thema für die Behaglichkeit ist die Lichtplanung. Dem Anspruch beider Familien folgend setzte ich meine Regeln der Lichtplanung auf 1.000 m² Wohn- und Nutzfläche konsequent um. Die 8 Grundregeln lauten:

  1. Das Verlegen sämtlicher Leerrohre für den Stombedarf an Decken- Wand- und Sockel in den Boden- bzw. Deckenplatten. Die einfache Verlegeweise minimiert als zusätzlich positiven Effekt die gesundheitsschädliche Strahlungsenergie.
  2. Die deckenintegrierten Strahler sind dimmbar und unterstreichen jede gewünschte Stimmungslage.
  3. Orientiert sich ihre Position in der Decke streng nach deren Funktion: Gilt es „Verkehrswege“ auszuleuchten, oder ist es angesagt „Ruhende Flächen“ abzugrenzen? Die Deckenstrahleranordnung beginnt für „Verkehrswege“ mittig der Türöffnung und durchquert den Raum direkt linear oder rechtwinklig zur Fenstermitte. Auf dieser Achse findet die Unterteilung der Deckenstrahlerabstände möglichst in gleichen Abständen statt. Anfangs und Endpunkt der Leuchtenanordnung nehmen raumtypische Eigenarten auf, wie zum Beispiel Wandvorsprünge, Fensterleibungen oder eben die Mitte weiterer Türöffnungen.
    „Ruhende Flächen“ definiere ich als Aufstellungsorte der Möbilierung, der Sitzgruppen oder besonders des Esstisches als zentraler Familientreffpunkt. Letzterer bedarf einer Beleuchtung, die die Familie um sich herum versammelt, folglich besten Falles mittig angeordnet ist.
  4. Als Sonderleuchten bezeichne ich jene Wand- oder Deckenstrahler, deren Aufgabe es ist Solitärpunkte hervorhebend zu betonen, z. B. Einzelbilder, Vitrinenbeleuchtung, Auslässe für raumumlaufende Deckenkehlbeleuchtungen.
  5. Allen gemeinsam liegt die Voraussetzung der Kenntnis der gewünschten Raumfunktion und deren -ausstattung zugrunde. Harmonie läßt sich ganz bewußt herleiten von gegenseitiger Übereinstimmung aller raumbildenden Maßnahmen, seien sie baulich, installationstechnisch, dekorativ oder nutzungsbedingt.
  6. Beleuchtungen der „Verkehrswege“ und der „Ruhenden Flächen“ sind jeweils getrennte Stromkreise, die für sich schalt- und dimmbar sind.
  7. Ausnahmen sind statthaft, wenn Strahlerachsen nahe natürlicher Lichtquellen liegen. Sie werden betont durch zusätzliche Unterteilung der Deckenstrahlerabstände und sind im Verbund einzeln schaltbar.
  8. Es gilt besonders darauf zu achten, dass die Mittigkeit in der Nähe von Fenstern und Türen unbedingt einzuhalten ist: Es sieht einfach fürchterlich aus, wenn sich der Lichtkegel samt Schatten asymmetrisch über der Türe markiert, anstelle die Türe mit einem Schattenbogen exakt mittig zu veredeln.

(In der nachfolgenden Zeichnung ist dieses Planungsschema strikt eingehalten. Die Bogenlinien deuten die einzelnen Lichtkreise an).

Lernen Sie im 10. Kapitel weitere „Behaglichkeitsregeln“ zu weiteren Themen kennen.

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